Für wen schreibe ich eigentlich diesen Bericht? Für Dich, der gerne Skitouren geht, unverspurte Hänge und Ruhe sucht, Powderabfahrten vom Feinsten in ewig breiten Hängen machen möchte, atemberaubende Landschaften sehen will, sich mit der Akklimatisierung in den Alpen schwertut, kein Interesse an Liftaufstieg hat und gerne Fisch isst. Aber natürlich auch für uns: Anja, Flo, Anita, Antonia, Axel, Bernhard, Clemens, Frank, Georg, Michael, Sylvia und mich, Ralph, die sich alle in der Vor-Osterwoche auf den Weg in die Lyngen Alpen gemacht haben und von dort mit unvergesslichen Erlebnissen wieder gesund nach Hause zurück gekommen sind – bis auf Anja – denn sie hat das Glück in Tromsö wohnen zu dürfen. Vorbereitet und durchgeführt haben diese erste Tour in die Lyngen Alpen Anja und Flo, die dafür ein ganz großes Lob verdient haben!
Was ist denn nun so besonders an den Lyngen Alpen? Nun ja, eigentlich alles! Machen wir mal den Vergleich mit einer Skitour in der Schweiz.
Benutzt man das Auto oder den Zug für eine Reise in die Alpen, so darf man zweimal 2 Stunden Flug genießen, um dann in Tromsö anzukommen. Von dort geht es dann nochmal 1 ½ Stunden mit dem Auto zu unserer Unterkunft in Svensby: ein kleiner Campingplatz direkt am Wasser, mit netten Holzhäuschen, Sauna, Grillhütte und einer legendären Bar namens „Rompa-Bar“. Lädt man sich für eine Tour in die Schweizer Alpen die notwendige Ration an Bier und Wein ins Auto, so muss man auf dem Weg nach Lyngen im Duty Free Shop für eine Woche Alkoholika einkaufen. Braucht man in den Schweizer Alpen für längere Touren ein paar Tage der Akklimatisierung, so kann man dort direkt ab Tag 1 ohne Anpassungsprobleme loslegen. Benutzt man ab und zu in den Schweizer Alpen eine Seilbahn zum Tourenstart, so nimmt man dort oben die Fähre. Es gibt sogar Skitourengänger - und das sind nicht wenige - die anstatt in Hütten auf Booten wohnen und von dort aus direkt auf die Gipfel laufen. Auch was Berghütten betrifft, so ist dies eine andere Welt: bewirtschaftete Hütten sucht man in den Lyngen Alpen vergeblich.
In den Lyngen Alpen gibt sich die europäische Gemeinde der Tourengänger ein Stelldichein. So trafen wir Sinnesgenossen aus Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden, Finnland und der Schweiz. Dies vor allem am Flughafen und auf Fähren. Bei allen Touren hielt sich der Betrieb sehr in Grenzen.
Es ist eben eine ganz andere, sehr schöne und besondere Ecke unserer Erde. Die Lyngen Alpen sind 3160 Kilometer von Karlsruhe weg, liegen nördlich vom Polarkreis, nicht weit entfernt zu Finnland und Schweden, ziehen sich über ein Gebiet von 20 mal 90 Kilometer und haben auf dieser Fläche 170 Gipfel mit einer Höhe von über 1000 Metern zu bieten. Manche Gletscher beginnen dort bereits ab rund 800 Höhenmetern und die Baumgrenze (v.a. engstehende Birken) ist bereits nach 200-300 Metern erreicht. Es sieht so aus, als ob man die Alpen auf einer Höhe von 1500 Metern geflutet hätte. Flo meinte passend: „da muss mal jemand den Stöpsel ziehen“. Zum Glück hat das bisher niemand getan, denn so haben wir wunderschöne Abfahrten direkt runter in die Fjorde erleben dürfen. Nur die Birkenwälder bremsten dann doch zu stark, sonst hätte der ein oder andere in der Powder-Euphorie noch ein paar Meter Wasserski drangehängt.
Was haben wir nun an Gipfeln mitgenommen? Wir waren in vielen unterschiedlichen Ecken unterwegs. Auch wenn die wenigsten Leser mit diesen Namen etwas anfangen können, schreibe ich diese der Dokumentation halber nieder: Rornestinden 1041m, Russelvfjellet 794m, Finnheimfjellet 1160m, Storhaugen 1147m, namenloser Gipfel nördlich des Rissavarri, Fastalstinden 1275m, Tafeltinden 1395m, Daltinden 1533m, Steinfjellet 1120 m. Die Höhe entspricht immer den zurückgelegten Höhenmetern, da man bereits auf Meereshöhe loslegt. An den meisten Tagen gingen wir in zwei Gruppen los und trafen uns dann abends zum gemütlichen Beisammensein und Kochen. In Summe hatten wir eine ganz hervorragende Stimmung im Team und eine Menge Spaß.
Was gibt es sonst noch zu berichten?
„Fischen ist Profi-Sache“. Obwohl wir einen sehr guten und beharrlichen Fischer unter uns hatten, kam einfach nichts an die Angel. Nachdem wir bei dem örtlichen Fischer dann leckerste 4 kg Kabeljau gekauft hatten, erklärte uns dieser, dass die Fische in rund 70 Meter Tiefe schwimmen und er immer mit Sonar ortet. Also, Hobbyfischer, Ihr könnt getrost die Angel zu Hause lassen!
„Schnarcher gibt’s immer“. Es kam wie es kommen musste – die Hütte wackelte nachts kontinuierlich und manche litten nach ein paar wenigen Nächten an Schlafentzug. Aus Gründen der Diskretion werden keine Namen genannt. Also, Hüttenschläfer, bleibt wachsam mit wem Ihr in eine Hütte geht und packt immer die Stöpsel ein!
„Polarlichter sind unglaublich schön“. Wollt Ihr dieses zauberhafte Naturphänomen sehen, so braucht Ihr ein wenig Glück (wir konnten ein Anzeichen am ersten Tag erkennen), oder bucht eine organisierte Ausfahrt mit zum Beispiel Chasing Lights, Storgata 64, Tromsö.
„Wann wird es endlich wieder dunkel?“. Selbst noch weit hin zu Mittsommer waren die Tage schon sehr lange und morgens ging die Sonne bereits gegen 4:30 Uhr auf. Also, Schlaftrunkene, nehmt Euch eine Klappe für die Augen mit!
„Wer gut essen will, muss gut planen“. Da man oft die Fähre nimmt, um zu den Skitouren zu kommen, muss man zu jeder Zeit die Planung für die Supermarkt- und Fischerbesuche im Auge behalten. Einmal mussten wir richtig Gas geben, um gerade noch so gefühlt auf die Fähre zu schweben. Der Kapitän sah uns von weitem anrauschen und machte vor Schreck nochmal die Schranke hoch – es hätte dazu für ihn auch keine Alternative gegeben. Wie gut, dass wir Georg „Röhrl“ am Steuer hatten, er gab uns ein sicheres Gefühl und erklärte uns erst danach, dass er zu Hause gar kein Auto hat. Zum Glück aber einen Führerschein. Also, Norwegen-Freaks, plant besser Eure Touren mit genügend Puffer!
„Mädels, da gibt es was für’s Auge“. Norweger gehen auch auf Tour und Norweger sind reinliche, muskuläre und gut gebaute Menschen. So zog sich solch ein Exemplar auf Tour vor unseren Augen insgesamt dreimal um. Also Mädels, auf nach Norwegen!
Das Fazit unserer Tour ist ganz einfach auf den Punkt gebracht: alle die dort waren wollen früher oder später nochmal hin! Es ist unglaublich schön, besonders, toll zum Skifahren – ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Und Anja, die in Tromsö blieb, meinte mehrfach mit sehr glücklicher Stimme: „und ich wohne hier“.
Ralph Weber