Wer kennt das Große Walsertal? Niemand? Nun dann sollten wir es erwandern.
Also machte sich Fritz ans Organisieren und Planen. 14 Wandersleute fuhren am 10. September 2017 nach Sonntag, einem kleinen Ort an dem Fluss Lutz im Großen Walsertal in Vorarlberg. Schon der Anblick kurz vor dem Ziel war grandios. Schneehauben bedeckten die wolkenumspielten Berge. Fantastisch. Wir waren voller Vorfreude.
Da der Tag noch jung war machten wir uns zu einem kleinen „Einlaufspaziergang“ auf. Der Weg führte uns zum Seestüble am Seewaldsee zu Kuchen, Kaiserschmarren und Getränken. Den Abend ließen wir bei Speis, Trank und gemütlichem Zusammensein ausklingen.
Ein kühler klarer Morgen empfing uns. Im Biosphärenparkhaus erklärte uns Herr Türtscher die Geschichte des Großen Walsertals. Voller Freude brachte er uns seine Heimat nah. Das Tal wurde im November 2000 von der UNESCO zum Biosphärenpark ausgezeichnet.
Die Ursprünglichkeit, Langsamkeit und ein besonderes Bewusstsein für Zeit bestimmen das Leben im Großen Walsertal. Die Bewohner sind geprägt durch die einzigartige Kultur der Walser Kultur und der ursprünglichen Natur. Um das an ihre Gäste weiter zu geben sind im gesamten Park Entschleunigungsplätze eingerichtet. Hier kann man zur Ruhe kommen und die Seele baumeln lassen.
Uns wurde gezeigt wie man einst Käse herstellte, denn damals wie heute leben die Bauern von Milchvieh das auf den saftigen Magerwiesen weidet. Interessanterweise grasen die Kühe auf drei Ebenen der Berge je nach Witterung und Jahreszeit. Heute wird der Käse natürlich in einer hochmodernen Käserei hergestellt. Wir kamen dann auch in den Genuss dieser Köstlichkeit.
Auf dem Walserweg wanderten wir danach nach Buchboden. Zunächst war das eine Herrausforderung. Steil, steinig und nass war der Abstieg bis wir den breiten Wanderweg erreichten. Da war Konzentration gefordert.
Gegen Mittag ließen wir uns auf ein paar Baumstämmen zum Vesper nieder. Es ist immer erstaunlich welche Vorräte sich in den Rucksäcken befinden. Hungern muss niemand. Ein Feuersalamanderkind floh vor uns und Bienen erhofften sich wohl den einen oder anderen Leckerbissen. Bei uns war jedoch nichts zu holen.
Wir zogen weiter und überquerten die Lutz. Steinmännchen standen an ihrem Ufer. Wir bauten noch einige dazu und schickten in Gedanken Grüße an die Daheimgebliebenen.
Der Blick auf die Berge war beeindruckend und gewaltig. Steil und majestätisch ragen die Felsmassive in den Himmel. Schönwetterwolken gaben dem Blick einen besonderen Reiz.
Lange liefen wir an der tosenden Lutz entlang. Klares Bergwasser stüzte sich über unendlich vielen Steinen ins Tal. Zufluss schoss aus der Höhe herab.
Am Lutz-Schwefel-Bad nahmen wir den Geruch von Schwefelwasserstoff (H2S) in die Nasen. Hier war zwar eine Bade- und Trinkgelegenheit, es wollte jedoch niemand so ein gesundes Bad nehmen. Nur Hermann nahm einen Schluck für seine Gesundheit. Prost.
Gegen 14.00 Uhr erreichten wir das Ziel Buchboden. Einige Leute fuhren mit einem Bus nach Sonntag. Die anderen nahmen den Weg zurück wieder unter die Sohlen.
Nebel stieg aus dem Tal. Wird die Sonne sich durchsetzen um uns den Tag zu verschönen?
Die Sonne schaffte es nicht. Regen ergoss sich über uns. Mit einem Bus fuhren wir zur Lakuz-Alpe. Dort regnete es so stark, dass wir beschlossen nicht auf den Wanderwegen hinab zu laufen. Sie waren glatt und rutschig. Wir nahmen die Straße. Das war kein Problem, war doch so gut wie kein Autoverkehr. Erst am Wald-Erlebnis-Pfad bogen wir ab. Mittlerweile war es auch regenfrei. Es war ein anspruchsvoller Marsch. Über Geröll und Wurzeln führte uns der Weg dem Tal entgegen. Er wurde uns durch Informationstafeln, imposante Ausblicke und dem Rauschen der Lutz versüßt. Am Tiefen See angekommen hatten wir die schwierigste Passage hinter uns. Der See ist nicht groß, das Gelände um ihn herum jedoch sehr. Das ist ein riesiger Spielplatz für Jung und Alt. Schade, heute war es zu nass um all die Geräte zu benutzen und sich auf ihnen zu amüsieren. Noch eine kurze Wegstrecke und wir waren wieder an den Autos.
Ein zarter Sonnenaufgang kündigte den folgenden Tag an. Heute werden wir die Schirme wohl im Rucksack tragen können.
Mit der Bergbahn fuhren wir nach Sonntag-Stein um zur Unterpatnomalpe zu wandern. Über den Klangweg marschierten wir zu einem Weiler mit einer kleinen Kapelle und einem bezaubernd schönen Steingarten. Weiter gings an einem gurgeldem Bach entlang durch grüne Wiesen. Eine einsame Sumpfdotterblume blühte neben viele Herbstzeitlosen. Der Herbst zeigte sich schon mit seinen Vorboten in den Bergen.
Am Echofelsen „erkundigten“ wir uns nach dem Namen des Bürgemeisters von Wesel. Er heißt heute noch wie zu meiner Kindheit, Esel.
An einer Grillhütte war ein Schild mit folgendem Spruch angebracht: nimm dir Zeit zum Lachen, das ist die Musik der Seele. Unsere Seelen musizierten. Das Große Walsertal ist mit viel Verstand und Liebe zum Dateil hergerichtet und sehr gut ausgeschildert. Wir erreichten die Unterpatnomalpe und holten aus den Tiefen unserer Rucksäcke das Vesper. Danach begaben wir uns auf den Weg zur Bergbahn. Da wir selten eine Gelegenheit auslassen um einzukehren, ließen wir uns auch hier wieder zu einigen Leckereien nieder. Fahren können wir ja auch später. Bis auf zwei Wandersleute fuhren wir mit der Bahn ins Tal. Über den anspruchvollen Kreuzweg erreichten auch die beiden Unermüdlichen das Tal.
Der Tag verabschiedete sich mit einem eindrucksvollen Sonnenspiel.
Der fünfte Tag war ein „Entlastungstag“.
Am Vormittag besuchten wir ein Puppenmuseum in Blons. Tausen süße Puppenaugen schauten uns an und brachten uns ab und zu in Verzückung. „ Mit so einer Puppe haber ich auch gespielt“, und „mein Bär sah genau so lieb aus“.
Am Nachmittag besuchten wir das Heimatmuseum in Sonntag. Viele Ausstellungsstücke aus vergangener Zeit sind hier zusammen getragen worden. Eine Vitrine hat mich ganz besonders beeindruckt. Blons wurde Weihnachten 1954 von einer gewaltigen Lawine verschüttet. Viele Meschen verloren ihr Leben. In dieser Vitrine wird die Schiefertafel eines Knaben ausgestellt auf der noch seine letzte Schularbeit zu lesen ist. Sein junges Leben wurde auch bei dieser Katastrophe ausgelöscht.
Auf, auf ihr Lieben, genug geruht, wir begeben uns auf den Weg.
Ein Kleinbus brachte uns in rasanter Fahrt zur Gassner Alpe (1562m). Von dort marschierten wir bei strahlendem Sonneschein und Kühle der Nacht auf dem Panoramaweg zur Sentum Alpe. Hier bekam die Wanderwoche ihre Belohnung, ihren Höhepunkt. Ich weiß nicht, waren es Tränen der Freude oder des Windes die meine Augen überschwemmten. Da stand ich im Kreise meiner Wanderkameraden und ließ mich vom Anblick der Berge überwältigen. So weit der Blick reichte erblickte ich die Schönheit der Berge. Glück pur.
Die Wiesen im satten Grün und vereinzelt Blauer Enzian und viel Gelber Enzian. Von der Sonne verwöhnt ließen wir uns vor einer einsamen Hütte nieder. Weiter führte uns der anspruchsvolle Weg vorbei an der Schäfis-Hütte. Sie ist leider dem Verfall preis gegeben.
Durch kleine Bäche und an kleinen Wasserfällen vorbei gelangten wir zur Alpe Sentum.
Hier wurden wir wieder mit dem Bus abgeholt. In ebenso rasanter Fahrt wie am Morgen ging es nun hinab. Es war gut nicht aus dem Fenster zu schauen.
Diese außergewöhnlich schöne Wanderung feierten wir im Cafe Propstei Gerold bei Kaffee und Kuchen nach dem Motto: weil Essen und Trinken gleichsam Pforten vertiefter Sinneserfahrung sind, verdienen sie entsprechende Aufmerksamkeit und Pflege.
Der letzte Wandertag begann mit Regen. Allerdings als wir in Buchboden aus den Autos stiegen stellten die Wolken ihre Tätigkeit ein. Gut gemacht. Wir marschierten Richtung Rothenbrunnen und dann durch das Naturschutzgebiet Gadental, einem interessantem Gebiet mit großer Vielfalt der Lebensräume in ihrem Artenreichtum. Der Weg führte meist nah am Gaden entlang. Das Flussbett ließ erahnen wie es hier bei der Schneeschmelze oder nach einem Unwetter aussieht. Geröll und Felsbrocken überall. Von zahlreichen Wasserfällen gespeist tobt der Fluss seinem Ziel entgegen. Immer aufwärts marschierten wir an massiven Felswänden entlag. Nach dem langen Aufstieg erreichten wir die Gaden-Alpe rechtzeitig zur Mittagspause. Und wieder war in jedem Rucksack genug für das leibliche Wohl zu holen. Ein wenig abseits waren Murmeltiere zu beobachten. Sie sahen uns, und husch, waren sie wieder fort. Wir nahmen den selben Weg zurück. Jetzt schien er viel kürzer zu sein. Eine kurze Einkehr im Biergarten des Kurhauses Rothenbrunn war verdient. Neben den Wasserfällen der Lutz ging es weiter bergab. Gigantische Felsbrocken liegen im Flussbett, die enst unter Getöse von den Bergen zu Tal gerollt sind. Angespülte Bäume und Äste zeugen von der Kraft des Wassers. Dieser Anblick wird mir in Erinnerung bleiben.
Im Gasthaus Wallis in Raggal wollten wir unser Abschiedsessen zu uns nehmen. Die Gemeinde feierte zu unserer Freude Erntedankfest mit Blasmusik und kleinen Leckereien. Wir mischten uns unter die Einheimischen und genossen den Tag und den Apfelsaft. Zu einem kleinen Spaziergang reichte danach auch noch die Zeit. Als wir freien Blick auf die Berge hatten liefen wir in Gedanken noch einmal den Panoramaweg und waren wieder ganz nah an den Bergen in denen man Harmonie und Zufriedenheit finden kann. Danach ließen wir uns im Gasthaus nieder.
Mit meinen Gedanken bin ich wieder im Großen Walsertal und möchte das folgende Gedicht eines unbekannten Dichters diesem Tal widmen.
Wo auf den Bergen die Einsamkeit ist
und du dem Himmel am nächsten wohl bist,
wo deine Blicke ins weite Land gehen
Wanderer verweile, bleibe still dort stehen.
Wo am Berge die Quelle entspringt,
labendes Wasser zu Tale uns bringt,
ist das nicht Sinnbild unserer Zeit?
Wanderer verweile, das Herz wird dir weit.
Wälder die rauschen, Wolken die ziehen
rings um uns nur Leben und Blühen.
Glaubst du der Natur am nächsten zu sein,
Wanderer verweile, kehre bei dir selber ein.
Lieber Fritz,
Du hast uns mal wieder ein außergewöhnliches Wandererlebnis geboten und wir sagen Dir auf diesem Weg ein großes Dankeschön.
Lilo Kircher